Ein verheißungsvoller Debüt-Roman: Elfenwächter (Band 1): Weg des Ordens - Carolin Emrich

Mit Elfenwächter (Band1): Weg des Ordens erschien am 15.01.2017 im Sternensand Verlag der Debütroman von Carolin Emrich und damit zugleich der Auftakt zur ersten Fantasy-Trilogie der Autorin. Wir haben das Erstlingswerk gelesen und uns eine Meinung gebildet, die wir euch nicht vorenthalten möchten.

 

Vorab seien ein paar Worte zum Inhalt bzw. zur Handlung verloren. Die Geschichte wird aus der Sicht einer jungen Dame geschildert, die aufgrund ihrer magischen Fähigkeiten in einem Kloster fernab der Gesellschaft aufgewachsen ist. Die siebzehnjährige Tris sehnt sich allerdings danach, mehr von der Welt zu sehen. Eines Tages erhält sie dann die Möglichkeit, das Kloster zu verlassen und dem Wächter-Orden beizutreten. Sie packt ihre Sachen und zieht mit den Wächtern, deren Orden zum Schutze der Menschheit existiert - so glaubt Tris zumindest. Von den anderen Wächtern bekommt sie eingebläut, wie feindselig und bösartig alle anderen Völker sind - insbesondere die Elfen! Doch eines Tages lernt Tris auf Patrouille durch Zufall einen Elf namens Avathandal kennen und der scheint ihr gar nicht so bösartig zu sein. Es dauert nicht lange, bis Tris zu zweifeln beginnt. Wer ist nun der wahre Bösewicht? Der Wächter-Orden? Oder ist es Avathandal, der sie täuscht?

Das Buch bewegt sich genretechnisch klar im Bereich der klassischen Fantasy (bzw. High Fantasy). Allerdings lassen sich auch sehr deutlich romantische Züge erkennen. Die sich entwickelnde Liebesgeschichte steht (glücklicherweise) nicht ganz im Vordergrund, ist aber doch nicht ganz nebensächlich, was in Hinblick auf die Erzählform natürlich selbstverständlich und unvermeidbar ist. Man kann keinen Roman aus Sicht einer verliebten Dame schreiben, ohne dass ihre Verliebtheit einen gewissen Raum einnimmt.

 

Man soll Bücher ja bekanntlich nicht nach dem Umschlag beurteilen. Als metaphorisches Sprichwort mag dieser Spruch seine Berechtigung haben, doch liefert der Buchumschlag den allerersten Eindruck eines Werkes, weshalb er natürlich durchaus eine große Rolle spielt. Schließlich wollen wir ja erkennen, ob das Buch etwas für uns ist, ohne die ersten vier Kapitel lesen zu müssen. Hier wurde jedenfalls alles richtig gemacht. Ein geheimnisvoller Waldweg ziert das Cover. Die goldene Schrift, die ornamentartigen Verzierungen und auch die restliche Umschlaggestaltung machen keine falschen Versprechungen, sondern deuten ganz klar auf Fantasy hin. Ein wenig Romance lässt sich vielleicht auch schon in den Bäumen erahnen.

Bei einem Werk wie diesem ist es natürlich wichtig, dass man sich mit der Hauptfigur identifizieren kann. Ganz zu Beginn - als Tris noch im Kloster ist und ihr Alltag von ihrem Verhältnis zu ihren Mitschülern und Lehrern geprägt wird - scheint die Geschichte eher eine jüngere, weibliche Leserschaft anzusprechen. Da es Tris jedoch in die Ferne zieht und sie schon bald mit den Wächtern das Kloster verlässt, deutet sich hier eine Entwicklung an. Das naive und unbedarfte Mädchen verlässt ihre vertraute Umgebung. Das ist natürlich mit vielen neuen Erfahrungen verknüpft und deshalb erwarten wir hier eine Veränderung in Tris' Denken und Handeln. Überhaupt sind nicht nur die Charaktere, sondern auch deren Entwicklung eine der wichtigsten Elemente im Fantasybereich. Hier hätten wir uns vielleicht etwas mehr gewünscht. Feminismus ist in! Die moderne Fantasy braucht starke Frauen. Natürlich steht Tris noch recht weit am Anfang ihrer Reise - es handelt sich ja erst um den Auftakt einer Trilogie - allerdings hätte sich die junge Dame für unseren Geschmack schon etwas mehr reifen können - vom naiven, ängstlichen, überforderten und unentschlossenen Mädchen zu einer entschlossenen, tatkräftigen Frau. Nebenbei bemerkt: Wir möchten hier keineswegs die Protagonistin der Geschichte verreißen oder schlecht machen. Im Gegenteil: Die Story bietet ja quasi eine Steilvorlage, die genutzt werden will, um Tris' Charakter zu formen. Wir wünschen uns nur, dass das Potential der Handlung und von Tris' Charakter in den Folgebänden mehr genutzt wird. Deshalb möchten wir der Autorin diese Anregungen mit auf den Weg geben.

 

Nicht ganz so wichtig wie die Protagonistin, aber dennoch von Bedeutung sind natürlich die anderen Figuren. Insbesondere wären da der Elf Avathandal und der Wächter Troy, Tris' erster und einziger Ansprechpartner bei den Wächtern, zu erwähnen. Troy scheint zu Beginn ein sehr sympathischer junger Mann zu sein, wenngleich vielleicht auch leicht überheblich. Im späteren Handlungsverlauf erleben wir den zuvor recht lebendigen Troy jedoch eher mürrisch. Ein konkretes Bild von Troys Charakter hat sich in unseren Köpfen beim Lesen noch nicht gebildet, doch sicherlich werden auch hier die Folgebände zeigen, ob Troy ein arroganter Schauspieler oder im Grunde doch ein guter Kerl ist, der womöglich sogar Gründe für sein späteres Handeln hat. In Avathandals Charakter dürfen wir im ersten Band schon etwas tiefer einblicken. Auch er ist sehr sympathisch uns lebensfroh, verbirgt jedoch wohl auch einige Geheimisse, von denen ein paar im ersten Band bereits gelüftet werden. Doch auch hier erwartet uns eventuell noch mehr? Zu begrüßen wäre es jedenfalls. Da wir nun schon bei Spekulationen über den Fortgang der Handlung sind, sei noch ein weiterer Charakter erwähnt. Josh Deghard, ein junger Mann, der gemeinsam mit Tris das Kloster verlässt und zu den Wächtern geht, bietet auch noch sehr viel Potential. Womöglich schlägt er sich auf die Seite der Wächter? Schließlich scheint Josh sich dort wohlzufühlen. Bei den Wächtern werden seine Talente anerkannt und gelobt - nicht so wie früher im Kloster. Dennoch machte auch er bislang den Eindruck, als sei er im Grunde ein guter Mensch. Womöglich erkennt er irgendwann, welches die "richtige Seite" ist? Doch mit wie vielen Missetaten hat er bis dahin sein Gewissen bereits belastet? Na ja, das alles sind dann wie gesagt doch nur Spekulationen über Spekulationen.

 

Bezüglich des Schreibstils haben wir wenig bis gar nichts zu meckern. Die Geschichte liest sich sehr flüssig. Beim Lesen hat man oft den Eindruck, dass die Handlung in einem sehr kurzen Zeitraum spielt. Abhilfe hätte hier gegebenenfalls eine Parallelhandlung geschaffen. Würde man hier und da ein Kapitel aus der Sicht einer anderen Person einschieben, könnte das die wahrgenommene Handlungsdauer womöglich etwas strecken. Zugegebenermaßen ist es aber nicht ganz einfach, zu einer Geschichte eines Ich-Erzählers eine Parallelhandlung zu erzählen.

 

Im Großen und Ganzen hat uns Elfenwächter (Band 1): Weg des Ordens von Carolin Emrich gut gefallen. Die Geschichte und die Charaktere haben viel Potential, weshalb wir eine Wertung von 7.0 für den Trilogie-Auftakt vergeben. Von den Folgebänden erhoffen wir uns einige Entwicklungen. In erster Linie erwarten wir von Tris, dass ihre Gedanken weniger von "Ach je, was soll ich tun? Was soll ich glauben?" und mehr von "Ich weiß, was zu tun ist. Lass mich das machen!" bestimmt sind. Damit Tris vom naiven Mädchen zur starken Frau werden kann, muss die Romantik in den Folgebänden womöglich auch etwas eingeschränkt (aber natürlich nicht gänzlich ausgelassen!) werden. Auch die anderen Charaktere sind noch ausbaufähig. Einige Ansätze haben wir in unseren obigen Spekulationen bereits geliefert, aber wir lassen uns gerne überraschen - denn schließlich machen überraschende Wendungen einen Fantasy-Roman auch sehr spannend!